Mediation in Transparenz, Teil 1
Die visuell erkennbaren und gefühlt wahrgenommenen Dimensionen eines Raums sind schwer zu fassen. Im Sichtbarmachen des Raums per se liegt der Fokus der sich in den vier Schaufenstern befindenden Arbeiten, ein Raum, der mit Potenzial gefüllt ist, der Möglichkeiten bietet, der einen neuen Kosmos an Vorstellungen und Ideen eröffnet. Was kann dieser Raum alles sein? Was kann er alles bewirken? Der Zweck eines Schaufensters liegt darin, mit ausgestellten Waren Aufmerksamkeit zu wecken und Appetenz zu erzeugen.
Vier Arbeiten aus Polyvinylchlorid (PVC) sind in vier Schaufenster gedrückt, gestopft, geschichtet, sorgfältig in Falten gelegt, in einen möglicherweise nicht so kleinen Raum im Inneren, umgeben von der großen, weiten Welt im Außenraum.
Lisa Hopf untersucht drei aus unterschiedlichen Bereichen und Jahrzehnten kommende Personen (…) und stellt deren theoretische Auffassung von Raum gegenüber. Dazu wählt sie einen Text aus Virginia Woolfs „A Room of One’s Own“, aus David Harveys „Spacial Justice“ und aus Henri Lefebvres „The Production of Space“. Für die Auszüge bedient sich die Künstlerin der im Moment sehr beliebten Technologie ChatGPT. (…) Die auf transparente Spezial-Folie gedruckten Textteile befassen sich jedoch nicht nur mit Raum, sie befinden sich nun selbst in einem dreidimensionalen Raum, sorgfältig drapiert und das größte Schaufenster ausfüllend. Allen Schriften gemein ist die Betonung des Raums als sozialen und somit gesellschaftlichen Raums, eines Raums, der einem ständigen Wandel unterworfen und zu einem immer öffentlicheren Raum geworden ist. Neue Medien und das Interesse am Entdecken neuer Welten(räume) führen zu einem immer transparenter werdenden Menschen, einem der bestimmenden Schlagworte unserer Zeit. (…) Die politische und gesellschaftskritische Position manifestiert sich auch in dieser Arbeit, die somit weit über die bloße Darstellung und das Ausloten des Räumlichen hinausgeht und auf die Entstehung des Raums als soziales Phänomen eines prozessualen Vorgangs verweist.
In einem anderen, einzelnen Schaufenster liegt ein aufblasbarer Sessel behutsam drapiert, in sorgfältigen Windungen, weichen Einbuchtungen, aufrechten Längen in aufsteigenden Schrägen, aufmerksam bedacht an die Grenze des Glases treffend und somit Verbindung zwischen Innen- und Außenraum. Die glitzernden Konfetti in seinem Inneren gewähren einen eigenen und intimen Blick in sein Innerstes, dem er sich nicht entziehen kann und ermöglichen eine zusätzliche Vorstellung sowohl seines Formats, als auch der Dimension des ihn umgebenden Schaufensters, das er ausfüllt.
Das PVC ist schützende Außenhaut und gibt aufgrund seiner Transparenz die Möglichkeit, den Schaufenster-Raum in seinen gesamten Ausmaßen und seiner Beschaffenheit in toto zu erfassen. Doch diese diaphane Struktur gewährt auch einen Blick in das Innerste der Form, den intimsten Bereich. Es wird ein räumliches Gefüge geschaffen, in das das Individuum eintaucht, ohne die räumliche Begrenzung zu verorten.
Transparenz und Transzendenz stehen in enger Korrelation zueinander. Die Grenzen des Wahrnehmbaren ausloten, die vor sich befindliche zweidimensionale Fläche verlassen, die Grenzen der Erfahrung und der sinnlich erkennbaren Welt überschreiten, in eine mögliche Auflösung in den Raum.
Es ist ein Offenlegen, Eintauchen, Gleiten, Schwereloses in Serpentinen gelegt, die gewichtige und erdrückende Verantwortung in und unserer Gesellschaft gegenüber und dazu die Frage: Kann die Weite eines Raums ermessen werden?
2023 | Mediation in Transparenz, Teil 1 |
Material
bedruckte PVC Bahnen
Beklebung auf Glas
transparenter Duschvorhang
Text
Marlies Schöck
Ausstellungsansicht
Arno Friebes
Presse
Scharfe Schau